Tag: Geschichten

Im tiefen Winterwald lag Schnee wie Zucker über den Fichten. Die Weihnachtsmaus stapfte vorsichtig durch den weißen Teppich, auf der Suche nach dem perfekten Baum. Endlich fand sie ihn: hoch und gerade, mit Ästen, die noch ungeschmückt in den Himmel ragten.
"So kann Weihnachten doch nicht beginnen", piepste sie, während sie die ersten glitzernden Kugeln hervorholte.
Plötzlich raschelte es im Unterholz, und ein Elch mit rotem Schal trat aus den Bäumen. Seine Geweihe funkelten ein wenig vom Frost. "Ich sollte eigentlich beim Schlitten helfen", murmelte er, "aber ich glaube, ich kann hier gebraucht werden."
Gemeinsam schmückten sie den Baum:
Die Maus kletterte flink an den unteren Ästen, ordnete Lametta und kleine Beeren. Der Elch reichte vorsichtig die Kugeln an die höheren Zweige, dass sie nicht zerbrachen.
Die Schneeflocken wirbelten um sie herum, wie ein leiser Applaus der Natur.
Sie lachten, als der Elch sich im Lametta verhedderte, und sie schwiegen ehrfürchtig, als die ersten Waldlichter am Abend die Kugeln zum Glitzern brachten. Am Ende trat der Elch einen Schritt zurück, die Maus richtete die letzten Äste.
Der Baum war nicht perfekt – aber warm, lebendig und voller Zauber.
"Weihnachten", flüsterte die Maus, "ist, wenn man zusammen schmückt, egal wie groß man ist." Der Elch nickte, und gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg.
Am nächsten Morgen leuchtete der Baum zwischen den verschneiten Tannen, und der ganze Wald schien ein wenig fröhlicher zu atmen.
© Anne Seltmann
Anne Seltmann 23.12.2025, 15.19 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Gräfin Aurelia von Sturmfeder stand in ihrem rubinroten Regenmantel und mit sorgfältig geschnürten Gummistiefeln vor dem Leuchtturm, als hätte sie dort ein wichtiges Rendezvous. Der Wind zupfte an ihrem Strohhut, die Tropfen tanzten über das Deck der hölzernen Mole, und das Meer schickte seine schäumenden Grüße bis an ihre Füße.
"Endlich Urlaub", murmelte sie und zog die Jacke enger. Für andere Adelige bedeutete Urlaub glänzende Bälle, festliche Tafeln und zu viel Konversation. Für Aurelia aber war es das Meer, der Regen und das Rauschen der Wellen, das ihr Herz leicht machte.
Sie hatte beschlossen, ihre Ferien dort zu verbringen, wo der Wind Geschichten erzählte. Jeden Morgen spazierte sie zum Leuchtturm, als sei er ein alter Freund, und lauschte seinem Knarzen im Sturm. Die Fischer grüßten sie schmunzelnd und nannten sie "die vornehme Dame mit den großen Augen". Doch Aurelia kümmerte sich nicht um Etiketten – sie fühlte sich frei, wenn das Salz in der Luft hing und die Tropfen wie Diamanten auf ihrem Mantel glitzerten.
An diesem Tag blieb sie besonders lange stehen. Irgendwo zwischen Regenschauer und Möwengeschrei dachte sie: Vielleicht ist Urlaub genau das – nicht ankommen zu müssen, sondern einfach dazustehen und den Himmel seine Musik spielen zu lassen.
Und der Leuchtturm, hoch und schweigend, nickte ihr zu, als verstünde er genau, was sie meinte.
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Anne Seltmann 28.09.2025, 14.45 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Es war einmal eine Frau, die das Wort "stolz" irgendwie nicht leiden konnte. Jedes Mal, wenn jemand sagte: "Sei doch stolz auf dich!", rollte sie innerlich mit den Augen. Stolz? Klingt für sie nach Hochmut, nach diesem kleinen inneren Aufplustern, das sie einfach nicht wollte.
Eines Tages stand sie vor dem Spiegel mit einem Fleck Marmelade am Pullover, ein zerbrochenes Glas in der Hand und dem Hund, der zufrieden mit dem Chaos wedelte. Sie atmete tief durch und dachte: "Weißt du was? Ich habe das Glas nicht absichtlich fallen lassen, ich hab heute trotzdem Sport gemacht, drei Mails beantwortet und den Hund gefüttert." Sie grinste. Kein prahlerisches Stolzgefühl – eher so ein warmes, inneres "Ja, das hab ich hinbekommen".
Da wurde ihr klar: Selbstachtung fühlt sich anders an als Stolz. Es ist nicht laut oder überheblich, es ist dieses leise Anerkennen: Ich hab das geschafft. Ich bin okay. Und manchmal bedeutet Selbstachtung eben auch, sich selbst zu erlauben, Marmelade auf dem Pullover zu haben.Anne Seltmann 20.09.2025, 09.10 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Am nächsten Morgen wachten Lina und Pünktchen auf, noch eingerollt auf ihrem großen grünen Blattbett. Ein leichter Wind trug den Duft von frischen Gräsern und Blüten zu ihnen herüber. Sie streckten sich, gähnten leise und nahmen sich wieder an den Händchen, bereit für neue Entdeckungen.
Diesmal führte ihr Weg zu einem kleinen, glitzernden Bach, der sich wie ein silbernes Band durch das Feld schlängelte. Lina hüpfte auf einen Stein, Pünktchen balancierte hinterher, und sie kicherten, als das Wasser ihnen kleine Spritzer ins Gesicht schickte.
Plötzlich entdeckten sie eine Gruppe winziger Schnecken, die gemächlich ihre Häuser trugen. "Wie tapfer sie ihre Lasten tragen!", flüsterte Pünktchen bewundernd. Lina nickte: "Vielleicht können wir uns etwas von ihnen abschauen – langsam, aber sicher, Schritt für Schritt."
Sie folgten dem Bach ein Stück weiter, bis sie auf eine kleine Wiese voller leuchtender Blumen trafen, die ihnen wie ein geheimnisvoller Garten vorkam. Zwischen den Blüten versteckten sich bunte Käfer, die freundlich winkten. Lina und Pünktchen fühlten sich willkommen, und für einen Moment blieben sie stehen, beobachteten das fröhliche Treiben und lernten, dass Abenteuer nicht immer nur weite Wege bedeuten – manchmal sind es die kleinen Begegnungen, die die größte Freude bringen.
Und so gingen sie weiter, Hand in Hand, bereit für alles, was das Feld noch an Wundern für sie bereithielt.
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Anne Seltmann 10.09.2025, 10.24 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Es waren einmal zwei kleine Marienkäfer, Lina und Pünktchen, die beschlossen, die große, weite Welt zu entdecken. Gleich früh am Morgen, als die Sonne ihre ersten goldenen Strahlen über das Feld schickte, nahmen sie sich an den winzigen Händchen und machten sich auf den Weg.
Sie stolperten über Grashalme, die höher waren als Türme, und krochen durch Blütenkelche, die wie bunte Zelte dufteten. Einmal ließen sie sich von einem Windhauch ein Stückchen tragen, so als hätten sie heimlich Flügel aus Träumen.
"Schau mal, wie die Ameisen eilig laufen!", rief Lina. "Und wie der Schmetterling tanzt!", lachte Pünktchen. Doch egal, was sie sahen, sie hielten sich immer fest, damit keiner verloren ging.
Sie sangen kleine Käferlieder, machten Pausen auf Gänseblümchen und stellten sich vor, sie seien große Abenteurer auf Wanderschaft. Alles war neu, alles war spannend, und selbst die kleinste Pusteblume konnte für sie ein Schloss sein.
Als die Sonne langsam hinter den Hügeln verschwand, fanden Lina und Pünktchen ein großes Blatt, breit wie ein grünes Bett. Sie kuschelten sich nebeneinander, schlossen die Augen und flüsterten: "Morgen ziehen wir weiter – und entdecken wieder die Wunder des Feldes."
Und so schliefen sie ein, Hand in Hand, mitten im Abenteuer.
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Anne Seltmann 08.09.2025, 10.09 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Die Katze hatte beschlossen, dass heute ihr großer Auftritt war. Mit einem eleganten Satz sprang sie auf den Fahrersitz des geparkten Autos. Ihre Pfoten legte sie souverän auf das Lenkrad, als hätte sie schon seit Jahren einen Führerschein. Doch das Beste war ihre Sonnenbrille – groß, rund, und ein bisschen zu breit für das kleine Gesicht. Sie rückte sie mit der Pfote zurecht, neigte den Kopf leicht nach hinten und sah durch die getönten Gläser nach draußen. "Miau, Leute", schien sie zu sagen, "wer braucht schon Fahrerlaubnis, wenn man Stil hat?"
Sie lehnte sich zurück, ließ den Schwanz über das Lenkrad hängen, die
Sonnenbrille perfekt auf der Nase, und betrachtete die Welt durch die Gläser
wie eine echte Diva. Die Hunde am Zaun konnten nur staunen, und irgendwo in der
Ferne begann die Sonne genau im richtigen Winkel zu glitzern. Coolness pur –
und sie wusste, dass sie jeden Moment genießen würde.

Anne Seltmann 27.08.2025, 00.00 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Anne Seltmann 06.08.2025, 06.58 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Anne Seltmann 24.07.2025, 10.09 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Die lästige Leichtigkeit des Kreischens
Sie sehen aus wie kleine Himmelssegler mit schneeweißen Flügeln und dem Blick eines Unschuldslamms – doch wer wie ich an der Küste lebt, weiß es besser: Möwen sind keine romantischen Küstenbewohner, sondern gefiederte Ganoven. Sie schreien, wenn alle anderen schlafen. Sie lauern, wenn du nichts ahnst. Und sie stehlen – mit der Chuzpe eines Straßenräubers.
Kaum setzt man sich mit seinem Brötchen ans Wasser, taucht plötzlich dieser weiße Schatten auf. Ein kurzer Flügelschlag, ein schriller Schrei – zack, ist das Frühstück weg. Und als wäre das nicht genug, hinterlassen sie auch noch ihre "Meinung" auf frisch geputzten Autos oder akkurat gefegten Balkonen.
Natürlich, sie gehören zum Norden wie der Wind und das Salz in der Luft. Aber manchmal, ganz ehrlich, wünscht man sich einen persönlichen Möwenabwehrschirm – oder zumindest ein Schild, auf dem steht: "Finger weg, Möwe!"
Und dennoch – wenn sie dann abends über dem Meer kreisen, im Gegenlicht der untergehenden Sonne, könnte man fast vergessen, dass sie morgens dein Croissant gestohlen haben.
Fast.

Anne Seltmann 23.07.2025, 06.31 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Katzen und Ordnung / Unordnung
Kätzin Ella hatte ein seltsames Hobby: Sie sortierte Dinge. Haarspangen in die
rechte Ecke des Teppichs, Spielzeugmäuse auf das Sofa, Wollreste in die
Badewanne. Jeden Tag aufs Neue. Wurde ein Gegenstand versetzt, holte sie ihn
zurück. Sogar die Fernbedienung hatte ihren festen Platz. Als einmal Besuch kam
und den Teppich durcheinanderbrachte, fauchte Ella – und räumte alles neu ein.
Anne Seltmann 16.07.2025, 09.20 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL